Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Immobilien berechnen
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch spielt eine zentrale Rolle im Erbrecht, insbesondere bei Schenkungen von Immobilien. Er schützt pflichtteilsberechtigte Erben davor, durch Schenkungen des Erblassers benachteiligt zu werden. Besondere Herausforderungen bestehen in diesem Zusammenhang mit Blick auf Immobilien.
- Immobilien haben häufig einen hohen Wert, sind aber gleichzeitig weder einfach teilbar noch schnell verkaufbar. Werden diese wenige Jahr vor dem Tod vom Erblasser verschenkt, kann es mangels liquiden Mitteln schwierig sein, den im Wege der Pflichtteilsergänzung gesteigerten Pflichtteilsanspruch zu erfüllen.
- Werden Immobilien vor dem Tod verschenkt, kann über die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruch Streitigkeit entstehen, da der Wert der Schenkung und damit die Höhe des Ausgleichsanspruchs rückwirkend nicht trivial feststellbar ist. Für die Bewertung relevanter Stichtag ist der Schenkungstag.
- Eine sorgfältige Nachlassplanung noch zu Lebzeiten kann viele Schwierigkeiten vorneweg adressieren und adäquaten Lösungen zuführen. Ganz besonders kann so auch die 10-jährige Abschmelzungsfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch bestmöglich genutzt werden.
Zusammengefasst sind Immobilien im Nachlass ein komplexes Thema, das sorgfältiger Planung und Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen bedarf. Eine vorausschauende Nachlassplanung hilft, die finanziellen und emotionalen Belastungen für die Erben zu minimieren und sicherzustellen, dass Pflichtteilsansprüche gerecht und effizient erfüllt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Eingabehilfen zum Rechner Pflichtteilsergänzungsanspruch Immobilie
- Beispiele für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei Immobilien
- Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
- Wann entsteht der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
- Wie hoch ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
- Bewertung von Immobilien zur Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
- Alternative zur Schenkung: Verkauf der Immobilie zum Marktwert
- Besondere Problematik bei Immobilien in Bezug auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch Bindung des Vermögens und Liquiditätsengpass
- Praktische Tipps zur Vermeidung von Problemen durch Pflichtteilsergänzungsansprüche im Zusammenwirken mit Immobilien
- Bedienung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ohne ausreichende liquide Mittel
- Möglichkeiten der Vermögensumschichtung oder Kreditaufnahme
Eingabehilfen zum Rechner Pflichtteilsergänzungsanspruch Immobilie
- Wann ist der Erblasser verstorben? Der Todestag des Erblassers ist relevant für die Berechnung der 10-Jahres-Frist seit der Schenkung.
- Verhältnis des Erblassers zum Beschenkten? Für die Berechnung der 10-Jahres-Frist ist wichtig, ob der Beschenkte ein Dritter oder der Ehegatte des Erblassers war. Bei Ehegatten beginnt die Frist erst zur Auflösung der Ehe zu laufen.
- Zeitpunkt der Schenkung: Die 10-Jahres-Frist beginnt mit dem Zeitpunkt der Schenkung zu laufen.
- Wert der Schenkung: Der Pflichtteilsergänzungsanspruch bemisst sich nach dem Wert der Schenkung im Zeitpunkt der Schenkung. Wertsteigerungen oder Wertminderungen nach der Schenkung sind nicht relevant.
- Ihre Beziehung zum Erblasser: Die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs richtet sich danach, wie hoch ihr Pflichtteilsanspruch ist. Dies ist je nach Beziehung zum Erblasser und je nachdem, welche weiteren Abkömmlinge noch leben, unterschiedlich.
Beispiele für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei Immobilien
Beispiel 1: Der Erblasser verschenkt 7 Jahre vor seinem Tod eine Immobilie im Wert von 300.000 Euro. Der Pflichtteilsergänzungsberechtigte hat einen gesetzlichen Erbteil von 1/4. Die Immobilie wird wegen der Abschmelzung noch zu 30% berücksichtigt, somit mit 90.000 Euro. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Berechtigten wird damit noch um 22.500 Euro erhöht, nämlich den gesetzlichen Pflichtteil von 1/4.
Beispiel 2: Der Erblasser verschenkt 5 Jahre vor seinem Tod eine Immobilie mit dem selben Wert an seine Frau. Damit wird der volle Wert der Immobilie auf den Nachlass angerechnet, da bei Schenkungen an den Ehegatten die 10-Jahres-Frist erst mit Auflösung der Ehe und damit in dem Fall im Zeitpunkt des Todes zu laufen beginnt. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird damit um 75.000 Euro erhöht.
Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch handelt es sich um einen erbrechtlichen Anspruch, der die gesetzlichen Erben davor schützen soll, dass ihr Pflichtteilsanspruch durch die Verschenkung hoher Vermögenswerte vor dem Tod des Erblassers erheblich vermindert oder sogar ausgehöhlt wird. Deswegen werden alle Schenkungen des Erblassers von hohem Wert 10 Jahre vor dem Todesfall fiktiv dem Nachlasswert hinzugerechnet. Allerdings wird pro Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, 10% des Schenkungswerts abgeschmolzen. Somit wird der Wert einer Schenkung 5 Jahre vor dem Tod nur noch zu 50 % berücksichtigt. Eine Schenkung, die weiter als 10 Jahre zurück liegt, wird gar nicht mehr berücksichtigt.
Wann entsteht der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht nach § 2325 BGB, wenn der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod eine Schenkung an einen Dritten oder seinen Ehepartner gemacht hat. Dieser Zeitraum, auch als 10-Jahres-Frist bekannt, beginnt mit dem Tag der Schenkung und endet mit dem Tag des Todes des Erblassers. Der Pflichtteilsberechtigte kann von den Erben die Ergänzung seines Pflichtteils verlangen.
Wie hoch ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch richtet sich nach dem Wert der Schenkung im Zeitpunkt der Schenkung und den Jahren, die bis zum Tod des Erblassers verstrichen sind.
Der Wert der Schenkungen wird dem Nachlass hinzugerechnet, um den Pflichtteil zu berechnen. Jedoch wird nicht jede Schenkung in vollem Umfang berücksichtigt. Jedes Jahr, das zwischen Schenkung und Todeszeitpunkt liegt, werden 10 % des Wertes der Schenkung abgeschmolzen. Somit werden Schenkungen 7 Jahre vor dem Todeszeitpunkt nur noch zu 30 % berücksichtigt. Schenkungen 1 Jahr vor Todeszeitpunkt noch zu 90 %.
Beispiel: Hat der Erblasser vor fünf Jahren eine Immobilie im Wert von 200.000 Euro verschenkt, wird diese Schenkung zu 50% in die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches einbezogen. Für die genaue Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wird der so ermittelte ergänzte Nachlasswert zugrunde gelegt. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Liegt der gesetzliche Erbteil des pflichtteilsberechtigten Erben bei 1/2, beträgt der Pflichtteil 1/4 des ergänzten Nachlasses. Der gesetzliche Pflichtteil wird in dem Fall also um 25.000 Euro für die verschenkte Immobilie erhöht.
Bewertung von Immobilien zur Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
Für die Bewertung von Immobilien zur Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist der Wert im Zeitpunkt des Schenkungstag entscheidend.
Tipp: Für eine genaue und rechtssichere Bewertung sollte zum Zeitpunkt der Schenkung ein Gutachten von einem nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Gutachter erstellt werden. Ein solches Gutachten gewährleistet eine objektive Bewertung und verhindert späteren Streit über den Immobilienwert. Besonders relevant wird dies, wenn der Kaufpreis innerhalb der Familie günstiger angesetzt wird und damit ein Schenkungsanteil enthalten ist. In solchen Fällen kann der Schenkungsanteil genau beziffert werden, was für die Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs entscheidend ist.
Alternative zur Schenkung: Verkauf der Immobilie zum Marktwert
Eine Alternative zur Schenkung ist der Verkauf der Immobilie zum Marktwert an denjenigen, der sie bekommen soll. Wird die Immobilie zum vollen Marktwert verkauft, liegt keine Schenkung vor. Somit entfällt auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch. Diese Vorgehensweise kann sinnvoll sein, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden und den Nachlass klar zu regeln.
Besondere Problematik bei Immobilien in Bezug auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch Bindung des Vermögens und Liquiditätsengpass
Immobilien sind weniger liquide als Geld oder Wertpapiere. Ein Erbe, der zur Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gezwungen ist, eine Immobilie zu verkaufen, steht oft unter großem Druck. Der zeitliche Druck, schnell eine Immobilie veräußern zu müssen, um die Ansprüche zu bedienen, kann dazu führen, dass die Immobilie unter Wert verkauft wird. Zudem können emotionale Bindungen an die Immobilie, wie z. B. ein Familienheim, den Verkauf weiter erschweren.
Deswegen gibt es Möglichkeiten, um eine Veräußerung der Immobilie zu verhindern, insbesondere die Stundung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs: Gemäß § 2331a BGB besteht die Möglichkeit, die Zahlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu stunden, wenn die sofortige Erfüllung für den Erben eine unbillige Härte darstellen würde. Diese Regelung zielt darauf ab, den Erben zu schützen, wenn die Art der Nachlassgegenstände, insbesondere Immobilien, den sofortigen Verkauf erzwingen würde.
Für die Stundung müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Der Erbe muss nachweisen, dass die sofortige Zahlung des Pflichtteils eine unbillige Härte wäre, zum Beispiel, wenn er hierfür das Familienheim veräußern müsste. Allerdings reicht es allein nicht aus, dass der Nachlass überwiegend aus einer Immobilie besteht. Weitere Faktoren spielen eine Rolle, wie etwa:
- Eigennutzung der Immobilie: Wenn der Erbe die Immobilie selbst bewohnt, wird dies in der Regel als wichtiger Grund für eine Stundung anerkannt.
- Weitere Immobilien und Einkommensverhältnisse: Der Erbe sollte keine weiteren Immobilien besitzen oder über ausreichende Einkünfte verfügen, um den Pflichtteil ohne die Notwendigkeit eines Verkaufs der Immobilie zu zahlen.
Praktische Tipps zur Vermeidung von Problemen durch Pflichtteilsergänzungsansprüche im Zusammenwirken mit Immobilien
Um die Problematik bei Immobilien im Nachlass zu umgehen, ist eine langfristige Nachlassplanung ratsam. Hierzu ist folgendes Vorgehen ratsam:
- Frühzeitige Schenkungen: Durch frühzeitige und strategisch geplante Schenkungen kann der Pflichtteilsergänzungsanspruch minimiert oder vermieden werden.
- Pflichtteilsverzichte: Einvernehmliche Pflichtteilsverzichte im Rahmen der Nachlassplanung, bei denen alle potenziellen Erben sinnvoll berücksichtigt werden, können spätere Konflikte verhindern.
- Gutachten und Bewertungen: Die Erstellung von professionellen Gutachten zur Wertermittlung der Immobilien bei Schenkung kann spätere Auseinandersetzungen über den Wert verhindern und klare Verhältnisse schaffen.
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Bedienung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ohne ausreichende liquide Mittel
Die Bedienung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs kann eine Herausforderung darstellen, insbesondere wenn nicht genügend liquide Mittel vorhanden sind. Hier sind einige Strategien und Möglichkeiten, wie man diesen Anspruch trotzdem erfüllen kann:
- Teilverkauf von Immobilien: Eine Möglichkeit besteht darin, nur einen Anteil an einer Immobilie zu verkaufen. Investoren erwerben einen Miteigentumsanteil an der Immobilie, häufig auch mit dem Recht diesen Anteil zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurück zu kaufen. Auf diese Weise werden liquide Mittel generiert, ohne dass die gesamte Immobilie aufgegeben werden muss.
- Vermietung der Immobilie: Wenn ein sofortiger Verkauf nicht gewünscht oder möglich ist, kann die Immobilie vermietet werden, um regelmäßige Einnahmen zu erzielen. Diese Einnahmen werden dann zur schrittweisen Bedienung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs genutzt. Dies ist aber nur bei Einverständnis des Pflichtteilsempfängers möglich.
- Stundung des Anspruchs: Wie bereits erwähnt, kann eine Stundung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2331a BGB beantragt werden. Diese Option sollte in Erwägung gezogen werden, wenn die sofortige Zahlung eine unbillige Härte darstellen würde. Die Stundung gibt dem Erben mehr Zeit, um liquide Mittel zu beschaffen, ohne sofort gezwungen zu sein, die Immobilie zu verkaufen.
Möglichkeiten der Vermögensumschichtung oder Kreditaufnahme
- Umschichtung von Vermögenswerten: Eine Umschichtung von anderen Vermögenswerten kann helfen, liquide Mittel zu schaffen. Dies könnte durch den Verkauf von Aktien, Anleihen oder anderer Immobilien erfolgen. Der Erbe kann so die notwendigen Mittel beschaffen, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu erfüllen.
- Kreditaufnahme: Eine weitere Möglichkeit ist die Aufnahme eines Kredits. Hierbei kann die Immobilie als Sicherheit für den Kredit dienen. Hypothekendarlehen oder grundschuldbesicherte Darlehen sind gängige Finanzierungsinstrumente, die genutzt werden. Diese Option ermöglicht es dem Erben, die erforderlichen Mittel sofort zur Verfügung zu haben, während die Immobilie weiterhin im Besitz bleibt. Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt dann über einen längeren Zeitraum.
- Lebensversicherung beleihen: Wenn der Erbe über eine Lebensversicherung verfügt, kann diese unter Umständen beliehen werden. Der Rückkaufswert der Lebensversicherung dient als Sicherheit, um einen Kredit zu erhalten, der dann zur Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs verwendet wird.
- Familieninterne Vereinbarungen: Es können familieninterne Vereinbarungen getroffen werden. Beispielsweise könnte ein anderes Familienmitglied bereit sein, den Pflichtteilsergänzungsanspruch vorerst zu übernehmen oder einen zinsgünstigen Kredit innerhalb der Familie zu gewähren. Solche Vereinbarungen sollten jedoch klar dokumentiert und rechtlich abgesichert werden, um zukünftige Konflikte zu vermeiden.
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